Nr. 4226064
Volkswirtschaft und Konjunktur

Konjunktur­bericht Nord­schwarz­wald

Der Aufschwung lässt weiter auf sich warten

Pforzheim, 10.05.2024. Die deutsche Wirtschaft schwächelt seit nunmehr einem Jahr und auch die regionalen Unternehmen sehnen den Aufschwung herbei. Obwohl das Statistische Bundesamt nach dem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um 0,3 Prozent für das erste Quartal 2024 ein Mini-Wachstum des BIPs von 0,2 Prozent verzeichnete, bleibt die Lage vor allem in der Industrie kritisch.
Dies geht auch aus der aktuellen Konjunkturbefragung der IHK Nordschwarzwald unter rund 250 befragten regionalen Unternehmen hervor. Nur 16 Prozent der Unternehmen im Nordschwarzwald berichten derzeit von positiven Geschäftsaussichten, verglichen mit 31 Prozent zu Jahresbeginn und 37 Prozent vor einem Jahr. Der Anteil der Unternehmen, die von einer befriedigenden Geschäftslage sprechen, hat sich deutlich auf 61 Prozent erhöht, während 23 Prozent eine schlechte Geschäftslage wahrnehmen. Zu Jahresbeginn waren es 19 Prozent und vor einem Jahr nur fünf Prozent. Die IHK-Präsidentin Claudia Gläser und die IHK-Hauptgeschäftsführerin Tanja Traub appellieren angesichts dieser Lage für eine starke Beteiligung an der EU-Wahl und fordern bessere Rahmenbedingungen mit weniger Bürokratie und konkreten Verbesserungen bei den Regelungen zum Kurzarbeitergeld.

Verhaltene Anzeichen geben Hoffnung für den Jahreswechsel 2024/2025

„Alle Unternehmen sehnen den Aufschwung herbei, doch braucht dieser auch die richtigen Rahmenbedingungen“, sagt IHK-Präsidentin Claudia Gläser. „Aktuell gibt es bei den Konjunkturdaten nur geringe Anzeichen für Verbesserungen bei den Früh-Indikatoren ,Auftragseingänge‘ und ,Geschäftserwartungen‘, aber wir sind zuversichtlich, dass wir für den Jahreswechsel 2024/2025 einen spürbaren Aufschwung erwarten können“, so Gläser weiter. Verbuchten vor einigen Monaten nur 6,5 Prozent steigende Auftragseingänge, sind es nunmehr elf Prozent, wobei weiterhin rund 48 Prozent von einer gleichbleibenden Auftragslage sprechen und 41 Prozent einen fallenden Auftragseingang feststellen müssen. Etwas über 20 Prozent der Unternehmen erwarten, dass sich die Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten verbessern wird – das ist ein Anstieg zum Jahresbeginn um fünf Prozentpunkte. Der Anteil an Unternehmen, der von steigenden Umsätzen ausgeht, ist um sieben Prozentpunkte auf gut 28 Prozent gestiegen. Der Anteil, der steigende Exporte erwartet, liegt nunmehr bei knapp 38 Prozent (zu Jahresbeginn: 30,5 Prozent).
„Die Region Nordschwarzwald ist eine produktionsstarke Wirtschaftsregion, und deshalb trifft uns diese Konjunkturflaute besonders hart. Die Beurteilung der Geschäftslage liegt daher leicht unter dem Landesschnitt. Gleichwohl sind die Erwartungen in der regionalen Industrie etwas höher als im Branchenschnitt. Das macht Hoffnung, zumal sich die bundesweite Inflationsrate mit 2,2 Prozent im Vergleich zum Vormonat weiter auf niedrigerem Niveau im Verhältnis zu den beiden Vorjahren befindet. Das könnte die Kostensituationen entschärfen und die Ausgangslage im Zusammenhang mit niedrigeren Kreditzinsen für zukünftige Investitionen verbessern“, ergänzt IHK-Hauptgeschäftsführerin Tanja Traub.

EU-Wahl: Aufschwung braucht richtige Rahmenbedingungen

Die aktuellen Rückmeldungen der Unternehmen, wie zuletzt auch bei der Podiumsdiskussion mit Kandidatinnen und Kandidaten zur Europawahl, zeigen aber vor allem eines: „Die geopolitischen Entwicklungen der vergangenen Jahre haben zu schwächelnden Märkten geführt. Gleichzeitig beschäftigt man sich innerhalb der EU und vor allem in Deutschland mit sich selbst: Die Fesseln der Bürokratie müssen endlich gelöst werden. Dabei haben wir gegenüber der Ampel-Regierung eine klare Erwartungshaltung und setzen auf einen Kurswechsel in der EU mit der Wahl zum Europäischen Parlament. Europa ist für die Wirtschaft von großer Bedeutung. Insofern ist wichtig, dass es am 9. Juni eine starke Wahlbeteiligung und anschließend stabile Mehrheiten für eine wirtschaftsfreundliche Politik gibt“, betont Claudia Gläser.

Wirtschaften im Schatten von Konflikten

Laut dem jüngsten „Economic Outlook“ der Industriestaatenorganisation OECD wird für das Jahr 2024 mit einem weltweiten Wirtschaftswachstum von 3,1 Prozent gerechnet – für Deutschland aber nur 0,2 Prozent. Zum Vergleich: Bei den USA geht man von 2,6 Prozent aus, im Falle Chinas wird mit 4,9 Prozent gerechnet, bei Indien mit 6,6 Prozent. Doch im gesamten Euroraum ist das BIP laut Eurostat (statistisches Amt der EU) im ersten Quartal 2024 nur um 0,3 Prozent im Vergleich zum Vorquartal gestiegen. Für Deutschland als Exportland sind diese Aussichten innerhalb des Binnenmarktes und mit dem wieder stärker gewordenen Fokus auf die USA besonders herausfordernd. „Vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges und der Konflikte im Nahen Osten bzw. am Roten Meer ist geopolitisch leider eine stärker gewordene Blockbildung zu beobachten und ein Wirtschaften im Schatten von Konflikten Wirklichkeit geworden. Eine stärkere EU, mithin eine stärkere Wirtschaftsunion, muss daher das Ziel sein. Es braucht dringend die Fortsetzung von Verhandlungen zu weiteren Freihandelsabkommen wie beispielsweise Mercosur“, ergänzt Tanja Traub.

Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung sind spürbar

Aktuell ist laut des im Frühjahr 2024 durchgeführten IHK-Unternehmensbarometers zum Standort Europa das Vertrauen der Unternehmen auf einen Tiefpunkt angelangt. 75 Prozent der über 100 befragten Unternehmen aus der Region Nordschwarzwald gaben an, dass die Attraktivität der EU als Unternehmensstandort gesunken sei. Gleichwohl zeigten viele Antworten, welch‘ große Bedeutung der EU für erfolgreiches Wirtschaften beigemessen wird: So gaben beispielsweise über 65 Prozent an, dass die politische Stabilität in der EU für sie persönlich einen sehr großen Nutzen habe. „Europa geht uns alle an. Es gibt für unsere Wirtschaftsregion nur eine gute Zukunft mit einer starken und funktionierenden EU. Andersrum betrachtet: ihre politische Instabilität wäre ein großes Risiko. Wir haben also alle gemeinsam eine große Verantwortung bei der Wahl am 9. Juni“, so die IHK-Hauptgeschäftsführerin.

Bessere Rahmenbedingungen nötig, um Fachkräfte zu halten

In der regionalen Konjunkturbefragung wurden in der verhaltenen Inlandsnachfrage (76 Prozent), in gestiegenen Arbeitskosten (61 Prozent), bei den Energie- und Rohstoffpreisen (56 Prozent) und – trotz der konjunkturellen Situation immer noch auf Rang vier – der Fachkräftemangel als größte Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung des eigenen Unternehmens benannt. Trotz der konjunkturellen Durststrecke halten unsere Betriebe ihre Fachkräfte und unternehmen große Anstrengungen, Arbeitskräfte zu qualifizieren und neue Fachkräfte zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist vor allem für die Industrie wichtig, dass die Regelungen zum Kurzarbeitergeld angepasst werden. Aus diesem Grund hat das Parlament der regionalen Wirtschaft, die sogenannte IHK-Vollversammlung, die Forderung an die Bundesregierung beschlossen, die Regelungen aus der Corona-Zeit wieder aufzunehmen, um insbesondere zur möglichen Bezugszeit von bis zu 28 Monaten zurückzukehren und eine Entlastung der Arbeitgeber bei den Sozialversicherungsbeiträgen zu erwirken. „Das wäre eine wichtige Entlastung und ein gutes politisches Signal, sodass der ersehnte Aufschwung für den Jahreswechsel 2024/2025 wahrscheinlicher wird“, schließt IHK-Präsidentin Claudia Gläser.

Lage in ausgewählten Wirtschaftszweigen

Verarbeitendes Gewerbe

In der regionalen Industrie herrscht weiter getrübte Stimmung. 14 Prozent berichten von gut laufenden Geschäften – das sind nochmals 10 Prozentpunkte weniger als zu Jahresbeginn – und 50 Prozent sprechen von einer befriedigenden Situation. Knapp 36 Prozent bezeichnen die Geschäftslage als schlecht. Das sind 26 Prozentpunkte mehr als vor einem Jahr. Damit einher geht die Bewertung der aktuellen Ertragslage: 48 Prozent geben sie als „schlecht“ an (Frühjahr 2023: knapp 30 Prozent), 38 Prozent bezeichnen sie als „befriedigend“ und nur 13,5 Prozent als „gut“ (Frühjahr 2023: 31 Prozent). Seit einem Jahr zeigt die Kapazitätsauslastung einen Rückgang von 87 Prozent auf 75 Prozent, wobei die Zahl der Optimisten zu den Geschäftserwartungen in der Branche wieder leicht zunimmt: Über 25 Prozent erwarten eine Verbesserung der Geschäftslage in den nächsten zwölf Monaten. Im Frühjahr 2023 waren das nur 18 Prozent.

Tourismus

Im Tourismusgewerbe der Region herrscht weiterhin eine recht stabile Lage: 50 Prozent bewerten die Geschäftslage als positiv (Vorjahreszeitraum: 53 Prozent), 37,5 Prozent sehen sie als befriedigend (Frühjahr 2023: 47 Prozent), nunmehr 12,5 Prozent sprechen von einer schlechten Geschäftslage. Doch nur 14 Prozent stellen wachsende Umsatzzahlen fest (Jahresbeginn 2024: 44 Prozent), immerhin 57 Prozent geben gleichbleibende Umsätze an (Jahresbeginn 2023: 56 Prozent).

Handel & Dienstleistungen

Und auch die Unternehmen aus dem Bereich Handel & Dienstleistungen zeichnen ein etwas besseres Bild von der wirtschaftlichen Lage als das produzierende Gewerbe: Zwar geben nur etwas über 17 Prozent an, die Geschäftslage sei „gut“ (Frühjahr 2023: 35 Prozent), doch bezeichnen sie immerhin 72 Prozent als „befriedigend“ (Frühjahr 2023: 65 Prozent) und nur zehn Prozent als schlecht. Für die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen dieser Branchen werden die Energie- und Rohstoffpreise sowie die Arbeitskosten und der Fachkräftemangel als stärkste Risiken gesehen.